Editorial von Geshe Thubten Ngawang
Liebe Mitglieder und Freunde,
an dieser Stelle haben Sie gewöhnlich ein Vorwort unseres Lehrers Geshe Thubten Ngawang gefunden. Viele von Ihnen wissen sicher, daß er im Juli zusammen mit Bhiksuni Jampa Tsedrön für zwei Monate nach Indien gereist ist und daher dies aktuelle Vorwort nicht schreiben konnte. Aber in der nächsten Ausgabe von Tibet und Buddhismus werden Sie wieder von den beiden lesen, sicher auch mit einem Bericht von der Reise, die ja hauptsachlich im Rahmen der Flüchtlingshilfe des Tibetischen Zentrum geschah, um die verschiedenen unterstutzten Projekte zu begutachten und damit sicherzustellen, daß die gespendeten Gelder ihrem Zweck entsprechend eingesetzt werden. Es macht uns immer wieder betroffen, wenn wir hören, wieviele - oft hochbegabte - Menschen in den tibetischen Klöstern im indischen Exil aufgrund mangelhafter Ernährung und unzureichender Unterkünfte schwer erkranken und ihre wertvolle Ausbildung nicht weiterführen oder weitergeben können.
Das berühmte "Sommerloch” war im Tibetischen Zentrum wie immer gut angefüllt - obwohl im Veranstaltungskalender von einer Sommerpause” zu lesen war. In unserem Klausurhaus in Pisselberg fand eine lange Meditationsklausur statt, geleitet von Geshe Lobsang Khedrup aus dem Aryatara-Institut in Jägerndorf. Beiden wollen wir an dieser Stelle nochmals ganz herzlich danken, Geshe-Ia, daß er die Mühen nicht gescheut hat, die Klausur so liebevoll zu betreuen, und unseren Freunden aus Jägerndorf, daß sie ihren Lama so lange entbehrt haben, . Dank auch an Bhiksu Dschampa Dönsang, der dabei zum ersten Mal die Gefühlsmischung aus gleichzeitiger Ehre und Last erleben durfte, vier Wochen lang ständiger verantwortlicher Übersetzer zu sein.
Im Zentrumshaus in Hamburg-Berne war von einem Loch auch kaum etwas zu spüren. Bhiksu Dschampa Tensin leitete eine Woche lang intensive Meditationen über den Stufenweg zur Erleuchtung, und außerhalb der stillen Sitzungen im Tempel beantwortete er in den vielen Diskussionen unermüdlich Dharmafragen; dem Wissensdurst der Teilnehmer waren kaum Grenzen gesetzt. Die langjährige Arbeit von Geshe Thubten mit seinen Schülern im Zentrum - und damit die Unterstützung aller Mitglieder und Freunde für das Zentrum - trägt auch auf diese Weise ihre Früchte. Selbstverständlich können und wollen die Schüler den Lama nicht ersetzen; doch können sie parallel zu ihrer eigenen Ausbildung etwas von dem ihnen übermittelten Wissen mit seiner Inspiration weitergeben; das gehört sicher auch zu ihrer Verantwortung. Dschampa Tensin nahm auch an verschiedenen interreligiösen Seminaren der Evangelischen Akademie in Bad Segeberg und in Loccum als Referent des Buddhismus teil.
Gleichzeftig meldete Jampa Tsedroen aus Indien, daß Geshe-la und sie sich bemühten, den zweiten Lehrer für das Zentrum gleich mitzubringen, im "Handgepäck” sozusagen. Natürlich geht das nicht von allein. Wieviele lange Stunden Wartezeit, Überredungskünste, Liter Schweiß - und nicht zuletzt Rupies - die entsprechenden Erledigungen den beiden in Indien gekostet haben mögen, können sich viele von Ihnen sicher leicht vorstellen. Und auch hierzulande fordert der Amtsschimmel bekanntlich sein rechtmäßiges Futter. Außerdem mußten im Haus die nötigen Räumlichkeiten geschaffen werden, was zweien unserer Mitglieder, Hans Jürgen und Angela Buggisch, viele Tage Umbauarbeit kostete. Aber sicher überwiegt die Freude darüber, daß nun der einundreißigjährige Mönch Lobsang Chöphel, der im Kloster Sera Jeh alle seine Studien bereits abgeschlossen hat und nach der üblichen Wartezeit in etwa drei Jahren die höchste Geshe-Prüfung ablegen wird, auf Geshe Thubten Ngawangs Vermittlung hin zu uns kommen wird, um die geistige Arbeit des Zentrums noch weiter zu intensivieren. Auch dafür sei allen, die sich finanziell oder auf andere Weise beteiligen, ganz herzlich gedankt. Schon im letzten Rundbrief haben wir in einigen Punkten dargestellt, welchen Nutzen wir von dem zweiten Lehrer erhoffen. Bedenkt man die vielen Aktivitäten, die mittlerweile von einem solchen Zentrum von verschiedenen Seiten erwartet werden und möglichst auch geleistet werden sollten, so ist ein zweiter Lehrer sicher kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit.
Ja, es gab mal wieder gut zu tun in diesem sogenannten Sommerloch... Nicht zuletzt mußte ja auch noch diese Zeitung rechtzeitig zum Druck fertig sein, und das ohne Jampa Tsedrön, die diese Arbeit sonst macht. Wie Sie sehen, haben wir zudem versucht, der Zeitung ein neues Gesicht zu geben, um sie ein wenig übersichtlicher und ansprechender zu gestalten. Auch hat sie einen neuen Titel. Denn der Uneingeweihte hat wohl kaum verstanden, was sich hinter dem Titel .Zentrumsnachrichten” verbirgt. Vor allem konnten die Schlagwortkataloge der verschiedenen Bibliotheken gar nichts damit anfangen. Und da wir besonders als Buddhisten fähig sein sollten, dazuzulernen und neue Einsichten auch zu praktizieren, wird Tibet und Buddhismus nun ganz auf umweltfreundlichem Papier gedruckt und auch in ebensolche Briefumschläge gesteckt. .Umweltfreundlich” bedeutet bei der Zeitung chlorfreies Papier und beim Briefumschlag, daß er völlig aus Altpapier hergestellt ist.
Die Teilnehmer am siebenjährigen Systematischen Studium können sich nun wieder mit großem Enthusiasmus und all ihren Geisteskräften in das kommende fünfte Semester und damit in die Philosophie der "Nur-Geist-Schule” stürzen, gerade so wie ein erhitzter Elefant in den kühlen Lotusteich... Nachdem wir schon einen weiteren siebenjährigen Kursus dieser Art angekündigt hatten, haben wir uns jetzt entschlossen, im nächsten Frühjahr damit zu beginnen. Interessenten haben also noch die Möglichkeit, sich zu informieren und anzumelden. Sie finden in dieser Zeitung dazu nähere Angaben und auch einige Stimmen gegenwärtiger Teilnehmer über ihre Erfahrungen mit dem Studium.
Ach ja, und da sind ja noch die drei neuen Bücher von Geshe Rabten, die die zentrumseigene .dharma edition’ zum Jahresende in den einschlägigen Buchhandlungen, Zentren und schließlich Ihren Leserhänden wissen möchte. All das hat uns die Zeit der Sommerpause nicht allzu lang werden lassen... Die vielen Dinge, .die man mal immer machen wollte, wenn es ein wenig ruhiger ist,” und die paar täglich anfallenden Kleinigkeiten, “die man mal eben nebenbei erledigen kann,” - die wollen wir gar nicht erwähnen!
Sie merken schon, was das Schöne an einem .Sommerloch” ist? Es paßt so u n e n d I i c h . . . viel hinein. Aber das soll kein Klageruf sein: Wir können uns allesamt sehr glücklich schätzen, einen so hervorragenden Lehrer, so gute Umstande zu unserer Weiterentwicklung und nicht zuletzt so viel gemeinsames Interesse zu finden, um in uns selbst und in unserer Gesellschaft die tiefgreifenden Werte des Buddhadharma zur Wirkung zu bringen. Und außerdem: Wer will schon in einem langweiligen Sommerloch die knappe Zeit des kostbaren Menschenlebens versickern lassen? Nehmen Sie, liebe Mitglieder und Freunde des Zentrums, diese Zeilen also lieber als eine .Dankeshymne” für Ihre langjährige freundliche Unterstützung jedweder Art, ohne die tatsächlich ein unansehnliches “geistiges Loch” klaffen würde, und gleichzeitig als ein .Bittgebet’, mit gemeinsamer Anstrengung zu ermöglichen, daß es auch in Zukunft noch so gut gefüllte Sommerlöcher im Zentrum geben wird.
Zum Schluß sei doch noch auf ein wirklich vorhandenes Sommerloch hingewiesen. Leider muß es immer wieder erwähnt werden, auch wenn man sicher nicht so gern davon spricht und davon hört. Sie wissen schon? Falls nicht, so schauen Sie sich doch bitte auf die vorletzte Seite dieser Zeitung. Vielleicht kann man auch dies ja noch etwas auffüllen?
Schwerpunkt-Thema: Stufenweg zur Erleuchtung