Editorial von Geshe Thubten Ngawang
Liebe Mitglieder und Freunde,
auf den folgenden Seiten unseres Vierteljahresheftes können Sie wieder eine Fülle von Informationen zur Kultur und Religion Tibets finden. Ich möchte auch diesmal an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, um die Vereinsmitglieder, Helfer, Spender, Abonnenten und meine Schüler sehr herzlich zu grüßen und als Geistiger Leiter des Tibetischen Zentrums einige meiner Gedanken zur Entwicklung unserer Arbeit zu äußern.
Im letzten Quartal verbrachte ich einige Wochen in Indien. Der Hauptzweck meiner Reise war es, die Effizienz unserer Bemühungen um die Flüchtlingshilfe für die Exiltibeter zu überprüfen. Ich konnte mich davon überzeugen, daß den Bedürftigen, den Kranken und den Studierenden auf vielfaltige Art Hilfe zukommt. Neben dem Aufenthalt in meinem Stammkloster Sera besuchte ich auch die beiden Nonnenklöster, die von uns unterstützt werden. Besonders hervorheben möchte ich in diesem Zusammenhang die außerordentlichen Bemühungen des Zen-Zentrums Mumon Kai in Berlin für das Kloster in Nepal. Es scheint, daß das Studium der Nonnen wesendlich intensiviert worden ist, fähige Lehrer gewonnen wurden und auch die nötige Planung für die Zukunft erfolgt ist. Es war mir auch möglich, mit den verantwortlichen Stellen der tibetischen Exilregierung ausführlich zu sprechen. Dabei wurde von den Tibetern wiederholt darauf hingewiesen, welchen guten Ruf unser Zentrum wegen seiner Aktivitäten bei ihnen besitzt. Man bat mich, auch den Tibet-Initiativen und der Deutschentibethilfe im Namen aller Tibeter für ihre äußerst nützliche Arbeit herzliehst zu danken.
Um das Zentrum weiter zu stabilisieren haben wir uns für das restliche Jahr vorgenommen, die Ausgaben so gering wie möglich zu halten und zunächst keine kostenintensiven Ausbauten oder ähnliches zu tätigen.
Inhaltlich wollen wir unsere Bemühungen noch verstärken, indem wir im Frühjahr 1994 den dritten Studiengang des Systematischen Studiums eröffnen werden. Ich denke, die nötigen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Durchführung sind gegeben. Es ist noch möglich, sich für dieses intensive Studium des Buddhismus anzumelden.
Diejenigen meiner Schüler, die nun schon seit vielen Jahren an diesem Lehrgang teilnehmen, möchte ich ermutigen, kontinuierlich ihre Bemühungen fortzusetzen und so ein möglichst vollständiges Wissen anzustreben. In früheren Jahrhunderten konnte Tibet das Erbe des Studiums und der Praxis des Dharma aufrechterhalten. Aufgrund der derzeitigen politischen Unterdrückung meines von den Chinesen besetzten Heimatlandes ist es notwendig, daß auch außerhalb Tibets dafür Sorge getragen wird, daß diese kostbare Überlieferung, die wertvoller als alle Juwelen ist, nicht verlorengeht. Erfreulicherweise ist in den letzten 10- 15 Jahren das Verständnis für den Buddhismus im Westen wesentlich angewachsen. Während wir uns um ein tieferes Verständnis der Lehren bemühen, ist es wichtig, daß wir unsere Mitstudenten als Dharmafreunde ansehen, mit einer guten Einstellung zueinander intensive Diskussionen durchführen und die Studieninhalte in die Praxis umsetzen.
Um die Studien auch langfristig abzusichern, bemühe ich mich zur Zeit darum, einen zweiten Geshe nach Hamburg zu holen. Für die dafür notwendigen formalen und finanziellen Voraussetzungen setze ich auf Ihre Hilfe.
Auch für diejenigen, die nicht an den Studiengängen teilnehmen, gibt es doch vielfältige andere Möglichkeiten, Veranstaltungen in unseren Räumlichkeiten zu besuchen. Im August wird unser verehrter Lehrer Geshe Ugyen Rinpoche wiederum für zwei Wochen zu Besuch kommen und Unterweisungen und Initiationen geben.
Die Meditationen am Freitag sind sehr gut geeignet, um seine Erfahrungen mit der Dharmapraxis schrittweise auszubauen. Entsprechend des Gesetzes des Abhängigen Entstehens können aus regelmäßiger Bemühung schließlich große Fruchte erwachsen. Auch die Heiligen der Vergangenheit haben einmal mit kleinen Schritten auf dem Pfad begonnen.
Die Abendgebete unter der Woche geben Gelegenheit, Verdienst anzusammeln und Hindernisse für unser Wohlergehen zu beseitigen und so künftigem Leid vorzubeugen.
Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, daß Seine Heiligkeit der Dalai Lama am 11. Juni in München zusammen mit Professor Carl-Friedrich von Weizsäcker und Prof. Michael von Brück an einigen Veranstaltungen des Evangelischen Kirchentages teilnehmen wird.
Schwerpunkt-Thema: Auf dem Weg zum Geistigen Frieden