Editorial von Birgit Stratmann
Liebe Leserinnen und Leser,
das Thema Natur ist Schwerpunkt dieser Ausgabe von Tibet und Buddhismus. Obwohl die Natur die Grundlage allen Lebens ist, schenken wir ihr normalerweise keine besondere Beachtung – außer in Zeiten der Krise. Aber Tschernobyl, Bophal und BSE sind schnell verdrängt.
Zehn Jahre nach der großen Umweltkonferenz von Rio, an der auch der Dalai Lama teilnahm, steht 2002 die Konferenz „Rio plus 10“ ins Haus. Auf der Agenda in Johannesburg stehen die gleichen ökologischen Probleme wie damals – nur, dass sie an Brisanz zugenommen haben. Stichwort: Klimaerwärmung, Artensterben, Wasserknappheit. Mit diesem Heft möchten wir diese wichtigen Aspekte unseres Lebens wieder ins Gedächtnis rufen und appellieren, sie in der spirituellen Praxis nicht zu vergessen.
Ein Artikel über die Genügsamkeit steht am Anfang dieser Nummer, denn das bescheidene Leben ist nicht nur eine grundlegende Anweisung des Buddha, sondern auch in puncto Umweltschutz höchst relevant. Die massenhafte Produktion von Wegwerfartikeln beispielsweise verschlingt Ressourcen und Energie und geht nicht selten mit Umweltzerstörung, zum Beispiel der Wälder, einher. Interessant ist, dass die thailändische Regierung in den 70er Jahren den Mönchen verbot, Genügsamkeit zum Thema ihrer Belehrungen zu machen. Die Verantwortlichen glaubten, die Lehren wären ein Hindernis für das angestrebte Wirtschaftswachstum. Da Wirtschaftswachstum oft mit Umweltzerstörung einhergeht, ist Genügsamkeit ein gutes Mittel, die Natur zu schützen. Lesen Sie die Instruktionen des Ehrw. Geshe Ngawang Dhargyey zur Entwicklung dieser Tugend.
Professor Schmithausen untersucht in seinem Beitrag das gespaltene Verhältnis des Buddhismus zur Natur: Da die Natur vergänglich ist, braucht man ihr keine besondere Beachtung zu schenken – das ist die eine Seite der Medaille. Weil die Menschen aber von der Natur abhängig sind, sie ist unter anderem Lieferant für Nahrungsmittel und Wasser oder Ort für die Meditation, ist eine gewisse Aufmerksamkeit angebracht.
Mit der zunehmenden Umweltzerstörung engagieren sich immer mehr Buddhisten quer durch alle Schulen für den Schutz der Natur. Sabine Löhr hat auf der ganzen Welt recherchiert und präsentiert die unterschiedlichen Formen des Engagements von Amerika bis Burma.
Ein Juwel ist „Die Erzählung von der Nigrodha- Gazelle“ aus den Vorleben des Buddha, die ich Ihnen besonders ans Herz lege.
Am 26. April 2002 wird das Tibetische Zentrum 25 Jahre. Die kontinuierliche und qualifizierte Vermittlung des Buddhismus ist nur durch die Präsenz und das heilsame Wirken von Geshe Thubten Ngawang über all die Jahre hinweg möglich. Lesen Sie seine Worte zum Jubiläum auf Seite 41 sowie die Kurz-Beiträge von Menschen, die auf unterschiedliche Weise mit dem Verein verbunden sind.
Dass wir in der heutigen schnelllebigen Zeit ein solches Dharma-Zentrum haben, in dem der Buddhismus intensiv und unter solider Anleitung studiert und meditiert werden kann, ist ein großes Glück. Wir danken den vielen, die das Tibetische Zentrum über die vielen Höhen und Tiefen hinweg getragen haben. Nur durch die Unterstützung vieler wird der Verein auch in Zukunft seine wichtigen spirituellen Aufgaben erfüllen können.