Editorial von Birgit Stratmann
Liebe Leserinnen und Leser,
der erste Jahrestag des Todes unseres verehrten Lehrers, Geshe Thubten Ngawang, nähert sich. Wie viele unserer Leser wissen, verstarb er am 11. Januar 2003 im Meditationshaus Semkye Ling, nachdem er 23 Jahre lang das Tibetische Zentrum aufgebaut und geleitet hatte. Lesen Sie im Gedenken an ihn seine Unterweisung „Warum wir keine Fortschritte machen,“ die sehr typisch für seine klare und erfahrene Art zu unterrichten ist.
Carola Roloff befragte auf ihrer Indienreise im August Mönchsfreunde Geshe Thubten Ngawangs im Kloster Sera über ihre Erinnerungen. Sein engster Freund, Geshe Lobsang Palden, der übrigens im Sommer 2004 zu Belehrungen zu uns kommen wird, sagte: „Wenn Gen Rinpoche (beim Küchendienst, z.B. Feuermachen) an der Reihe war, erledigte er seine Arbeit immer sehr fröhlich und entspannt; er sang vor sich hin, als wenn er gleich einen Ritualtanz machen würde. Gleichzeitig war er vollkommen achtsam. Er nahm jedes Stück Holz einzeln in die Hand und untersuchte, ob auch kein Insekt daran saß, bevor er es ins Feuer warf. Er war ein wirklich außergewöhnlich guter Praktizierender.“ Die Berichte von Carola Roloff sowie von Christine Rackuff über die Erinnerungen Geshe Tenpa Choepels finden Sie ab Seite 10.
Der Umbruch im Tibetischen Zentrum nach dem Tod Geshe Thubten Ngawangs war nicht leicht und ist noch im Gange. Wir verdanken sehr viel unserem Schirmherrn, S.H. Dalai Lama, von dem wir in diesem Jahr besondere Unterstützung und Ermutigung erfahren haben. Die neuen Lehrer, Geshe Ngawang Sonam und Geshe Pema Samten, leisten einen großen Beitrag, dass das Tibetische Zentrum seine Arbeit auf hohem Niveau fortsetzen kann. Auch die Ordinierten, Tutoren, Mitarbeiter, Mitglieder und der ehrenamtliche Vorstand übernehmen ihren Teil der Verantwortung, die wunderbaren Möglichkeiten für das Lernen und Meditieren des Dharma zu bewahren.
Wir möchten an dieser Stelle auch alle Freunde des Tibetischen Zentrums bitten, Ihre Unterstützung aufrecht zu erhalten. Es ist uns ein großes Anliegen, das Werk Geshe Thubten Ngawangs mit den beiden Pfeilern Studium und Meditation sowie weiteren Aktivitäten wie Flüchtlingshilfe, Interreligiösem Dialog aufrecht zu erhalten und kreativ weiter zu entwickeln. Dazu ist eine stabile Basis in Form engagierter Mitglieder und Freunde notwendig. Auch finanzielle Zuwendungen werden benötigt. Ohne Spenden hat der Verein Tibetisches Zentrum keine Überlebenschance, mögen die Motivation noch so rein und das Engagement noch so groß sein. Gerade bei schlechter Wirtschaftslage und allgemeiner Unsicherheit sind spirituelle Zentren von unschätzbarem Wert. Sie sind wie ein Licht in dunkler Zeit und haben als Vermittler spiritueller Werte einen großen Nutzen für die Gesellschaft.
Der Schwerpunkt dieser wie auch der kommenden Ausgabe ist der Erleuchtungsgeist, das Streben nach Erleuchtung zum Wohle aller Wesen. Wie der Dalai Lama sagt, gibt es keine heilsamere und nützlichere Geisteshaltung als diese: „Wir sind jetzt in der glücklichen Situation, diese altruistische Haltung entwickeln zu können." Lassen Sie sich von den Artikeln inspirieren, Ihren Geist von den täglichen Problemen hin zur Sorge um das Wohl der anderen zu lenken. Tsongkapa vergleicht den Erleuchtungsgeist mit „einem Elixier, das ein gewöhnliches Metall in Gold verwandelt.“
Schwerpunkt-Themen: In memoriam Geshe Thubten Ngawang